»Der DSEM ist eine wichtige Botschaft an die Politik«

Autor:in: Jana Gioia Baurmann

Bild: SEND e.V.

»Der DSEM ist eine wichtige Botschaft an die Politik«

Seit 2018 informiert der Deutsche Social Entrepreneurship Monitor, kurz DSEM, jährlich über das deutsche Social Entrepreneurship-Ökosystem. Herausgeber ist das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND e.V.). Ziel ist es, Potentiale, Bedürfnisse und Herausforderungen von Sozialunternehmer:innen besser zu verstehen – um sie Politik und Wirtschaft aufzeigen zu können. Ein Gespräch mit Michael Wunsch, Projektleiter des Monitors, über die zu reitende Nachhaltigkeitswelle, Entwicklungen in der Szene und wie sich die deutsche Start-up-Szene allgemein verändert.

Ashoka: Ende März ist der dritte DSEM erschienen. Wie war das Feedback bislang?

Michael: Da kam einiges … zum Teil auch von Institutionen, mit denen wir bereits zusammenarbeiten. So machen wir mit dem Land Hessen schon ein Projekt, den »Sozialinnovator Hessen«. In einer Sonderauswertung des DSEM haben die Sozialunternehmer:innen Hürden und Hindernisse für Hessen genannt. Daraufhin signalisierte die hessische Politik Interesse, diese Hürden gezielter zu beheben. Das heißt, die machen nicht nur ein Angebot, wie Sozialunternehmer:innen gründen können, sondern schauen sich darüber hinaus noch an, was nicht funktioniert und überlegen, wie man das perspektivisch angehen kann.

Der Monitor zeigt auf, dass 80 Prozent der befragten Sozialunternehmer:innen mit der Unterstützung von Social Entrepreneurship in Deutschland durch die Politik unzufrieden sind. Wenn du auf die letzten drei Jahre zurückblickst: Wie ist die Entwicklung?

Ich bin immer wieder verwundert, wie viel wir in den vergangenen drei Jahren bewegen konnten, vor allem auf politischer Ebene. Ich bin seit fast 15 Jahren im Bereich Sozialunternehmertum unterwegs und hätte nicht erwartet, dass wir innerhalb von drei Jahren durch die Allianz, die das SEND darstellt, so schnell vorwärtskommen. Der DSEM ist dabei mit Abstand das wichtigste Kommunikationstool geworden, weil Entscheidungsträger:innen sich nur bewegen, wenn sie sehen, wie die Datenlage ist. Die müssen einordnen können, was da passiert. Von der Politik würde ich mir jedoch noch eine entschlossenere Herangehensweise zu Social Entrepreneurship und Sozialen Innovationen wünschen: Da gibt es noch immer keine Koordination, den Mangel an passender Finanzierungsinstrumenten zeigt der aktuelle DSEM auch deutlich auf und während wir für Technologie Startups in fast jeder Stadt ein Gründungszentrum haben, gibt es das für Gründer:innen, die gesellschaftlich relevantere Innovationen fokussieren noch immer nicht.

Du hast bereits angesprochen, dass ihr mit Bundesländern wie Hessen enger zusammen arbeitet …

Auf Länderebene passiert schon viel. Zum Beispiel in Schleswig-Holstein, ebenso in Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen – auch wenn der letzte Aufschlag im Landtag eher mau war, da haben die sich nicht so viel getraut. Aber auch auf Bundesebene geht es voran, immerhin nehmen sich sowohl Wirtschafts- als auch Forschungsministerium dem Thema an. Da ist der DSEM immer die Grundlage.

Es ist der dritte Monitor jetzt – wo siehst du die größten Veränderungen?

Für mich persönlich ist die Zahl der Antworten sehr interessant. Anfangs sind wir mit ein paar wenigen gestartet, jetzt waren es 400 Antworten, die wir verwerten konnten. Das zeigt zwei Dinge: Einmal bekommen wir als Verband mehr Popularität. Und zweitens: Es gibt so viele Sozialunternehmer:innen in Deutschland, die alle tolle Arbeit machen. Das zeigt die Dynamik – und ist damit eine wichtige Botschaft an die Politik.

Du hast angesprochen, wie viel ihr als Verband in den vergangenen drei Jahren bewegen konntet. Ein Ergebnis des Monitors ist, dass sechs von zehn der DSEM-Social-Enterprises in den letzten drei Jahren gegründet wurden. Zufall?

Nein. Wir haben so viel spürbaren Erfolg, weil wir als Verband auf der Nachhaltigkeitswelle mitreiten dürfen. Eine Welle, die angestoßen wurde von Menschen, die gründen, Menschen in Unternehmen, Universitäten, Verwaltungen, Privatpersonen, Leute, die anders einkaufen gehen und Unternehmen vorwerfen, wie schlecht sie zu Umwelt und Gesellschaft sind. Wir wachen aus dem komischen Traum des 19. Jahrhunderts aus, dass wir mit Technologie alles lösen können – und fragen uns auf gesellschaftlicher Ebene: Wie können und wollen wir miteinander umgehen und was bedeutet das sozial? Das, was gerade passiert, ist eine soziale Innovationsrevolution.

Wie erklärst du jemanden abseits des Sozialunternehmertums, was es mit dem Monitor auf sich hat?

Ich sage immer, dass ich Lobbyist fürs Gute bin. Dass es Unternehmen da draußen gibt, die gute Dinge machen und unsere Unterstützung brauchen. Mithilfe des Monitors bilden wir ab, wie es denen geht. Die Ergebnisse tragen wir zur Politik und anderen Entscheidungsträger:innen und zeigen, wie sie solche Unternehmen unterstützen können.

Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. gibt jährlich den DSM heraus, den Deutschen Startup Monitor. Ist die Beziehung zu gewöhnlichen Startups enger geworden?

Der DSM fragt inzwischen das Thema Sozialunternehmertum ab. Im aktuellen DSM steht, dass Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle einnehme. »Das dritte Jahr in Folge ordnen mehr DSM-Startups ihre Produkte/ Dienstleistungen der Green Economy beziehungsweise dem Bereich Social Entrepreneurship zu.« Konkret heißt das: 43 Prozent der dort befragten Startups sehen sich als Sozialunternehmer:innen. Das zeigt eindeutig, dass sich die Start-up-Szene verändert hat. Die Zahl muss man natürlich überprüfen, weil einige das Konzept vielleicht nicht so auslegen wie wir, sich einen grünen Anstrich verpassen wollen oder so. Trotzdem: Die Zahl steigt stetig.

Den Dritten Deutschen Social Entrepreneurship Monitor gibt es hier zu lesen.