
Autor:in: Jana Gioia Baurmann
Bild: privat/Angelina Bambina/Shutterstock
»Es fehlt an wirksamen Frauennetzwerken, die auf gegenseitige Förderung setzen.«
Entstanden ist der Weltfrauentag, weil frau endlich gleichberechtigt sein wollte, wählen können wollte, sich emanzipieren wollte. Und ja, seitdem ist etwas passiert – aber nicht genug. Noch immer gibt es beispielsweise viel zu wenige Frauen, die gründen. Mit einem Grunde, weshalb wir euch in dieser Woche fünf weibliche Fellows aus unserem Netzwerk vorstellen. Heute: Marion Steffens.
Ashoka: Was war deine Motivation, dich sozial zu engagieren?
Marion: Meine Motivation ist Verantwortung im Sinne von »Antwort geben«. Dabei verstehe ich mein Engagement nicht in erster Linie als sozial, sondern als politisch. Politisch in dem Sinne, als Politik zwischen den Menschen stattfindet und den Raum zwischen uns braucht und gestaltet. Wenn also Frauen in ihrer engsten Umgebung Gewalt erleben und diese Gewalt – obwohl sie zu den schwersten, kontinuierlich stattfindenden Menschenrechtsverletzungen in jedem Staat der Erde gehört – weder politisch noch gesellschaftlich Gegenstand von Diskussion und politischem Handeln wird, dann, so dachte ich, will ich etwas tun.
Welches Ziel verfolgst du mit deiner Arbeit?
Mein Ziel ist, Gewalt gegen Frauen zu einer Angelegenheit jedes Bürgers und jeder Bürgerin zu machen. Neben ernsthaften Anstrengungen, Gewalt im Geschlechterverhältnis wirksam zu verhindern, muss betroffenen Frauen und ihren Kindern jederzeit und überall Zugang zu unmittelbarem Schutz gewährt werden. Hierbei spielt der medizinische Sektor eine Schlüsselrolle. Ein Leben ohne Diskriminierung, Bedrohung und Gewalt ist die Voraussetzung dafür, dass eine gemeinsame Gestaltung unserer Lebenswelten überhaupt gelingen kann.
Wie können wir es deiner Meinung nach schaffen, dass mehr Frauen sich sozial engagieren?
Frauen engagieren sich im Übermaß im sozialen Bereich. Sie stellen die überwiegende Mehrheit in allen Formen der Care-Arbeit – überwiegend un- oder schlecht bezahlt. Die Frage wäre: Wie können wir es schaffen, dass sich mehr Frauen im oben genannten Sinne »politisch« betätigen? Hierbei geht es ausdrücklich nicht um »die Politik« der Parlamente und Parteien. Sondern um ein politisches Verständnis der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Und um den Gestaltungswillen, hier – gemeinsam mit anderen Frauen und Männern – an Lösungen zu arbeiten. Und zwar vor allem im eigenen Lebensumfeld.
Welche Barrieren existieren noch?
Barrieren liegen in der Ökonomisierung aller Prozesse, in einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur, die nach wie vor eine 90%ige Männerquote an den Schaltstellen der Macht für normal hält. Barrieren liegen auch in einer damit zusammenhängenden gesellschaftlichen und finanziellen Randstellung sozialer Arbeiten. Nicht zuletzt fehlt es an wirksamen Frauennetzwerken, die auf gegenseitige Förderung setzen. Der hierzu notwendige Feminismus ist nicht Männerhass oder Opferdiskurs oder das Eintreten für sogenannte Gleichberechtigung, sondern ein Bekenntnis zur Verantwortung und zu dem Mut, das Geschlechterverhältnis in die eigene Perspektive und die Bewertung allen öffentlichen und sozialen Handelns einzubeziehen.
Marion setzt sich für Gesundheit und Intervention gegen häusliche Gewalt ein. Ihre Organisation »Gesine« ist eine Antwort auf die mangelnde Ausbildung von Fachkräften im Gesundheitswesen, um Anzeichen von häuslicher Gewalt zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Marions Netzwerk erreicht die Opfer in dem Moment, in dem sie eine:n Ärzt:in aufsuchen, unabhängig davon, ob der Besuch direkt auf einen Vorfall folgt oder nicht.
Die Fragen stellte Louise Dhavernas.