
Autor:in: Jana Gioia Baurmann
Bild: privat
»Es gibt nicht die eine große Situation, die mir im Gedächtnis geblieben ist, sondern viele kleine«
Am 1. Mai erscheint die Dokumentation »Yes, She Can – Frauen verändern die Welt« – eine Produktion von Global Digital Women und Spreadfilms. Auch Ashoka-Fellow Anna-Lena von Hodenberg ist in dem Film zu sehen. Wie es dazu kam, welche Erfahrungen sie mit gläsernen Decken gemacht hat und wer ihr weibliches Vorbild war, erzählt sie im Interview.
Ashoka: Wie kommt es, dass du Teil der Dokumentation bist?
Anna-Lena: 2020 habe ich den »Global Female Hero Award« gewonnen, in der Kategorie Social Hero – mit der Auszeichnung soll gezeigt werden, dass es durchaus Frauen gibt, die die Digitalisierung vorantreiben und nachhaltig prägen. In dem Film geht es um einige solcher Frauen – aber nicht grundsätzlich um den digitalen Bereich. Die Dokumentation geht der Frage nach, weshalb wir uns – um es salopp zu sagen – den Kopf an der gläsernen Decke blutig schlagen. Und warum es so schwer ist, dass Frauen in Führungspositionen kommen. Bei den Dreharbeiten wurde versucht, aus der Biografie abzuleiten, wie es zu dem jeweiligen Lebenslauf kam. Ich wurde beispielsweise gefragt, wer meine Vorbilder in der Familie sind.
Und?
Meine Oma (auf dem Foto oben zu sehen, Anm. d. R.). Kurz nach dem Krieg, als noch alles zerbombt war, hat sie angefangen zu studieren. Sie hat sich das Studium selbst finanziert, hat immer nebenbei gearbeitet und hatte doch so wenig Geld, dass sie sich mittags immer nur zwei Amerikaner leisten konnte. In Vorlesungen musste sie sich von Professoren anhören, dass sie doch nur hier sei, um sich einen guten Mann zu suchen. Sie hat sich davon nicht entmutigen lassen – und wurde eine der ersten Architektinnen, die an der Städteplanung von Hannover beteiligt waren.
Wie war deine Beziehung zu ihr?
Sehr eng. Immer wieder habe ich für ein paar Wochen oder wenige Monate bei ihr gewohnt, zum Beispiel, wenn ich in Hannover Praktikum gemacht habe. Sie hat mich ermutigt, meinen eigenen Weg zu gehen. Als ich mit 19 für drei Monate nach Südafrika wollte und meine Mutter nicht wirklich viel von der Idee hielt, meinte meine Oma: Du musst das jetzt machen, das sind Chancen im Leben, die kommen nicht wieder. Fahr’ hin! Sie hat mir gezeigt, wie viel möglich ist, wenn man den Willen hat – und dass sich manche Kämpfe lohnen.
Was sind denn deine Erfahrungen mit der gläsernen Decke?
Vor HateAid habe ich im Journalismus gearbeitet und hatte dort zwar Chefinnen, doch die haben Frauen nicht gefördert. Ich habe darunter gelitten, dass Männer in dem Business viel aggressiver waren, viel lauter, viel leichter im Vernetzen – obwohl ich eigentlich eine super Netzwerkerin bin. Es gibt nicht die eine große Situation, die mir im Gedächtnis geblieben ist, sondern viele kleine: Wenn ich in Konferenzen saß und versuchte, ein Thema kurz und knackig zu halten, und der Mann neben mit einfach laut drauf los redete, lange redete und Raum einnahm – und am Ende die Anerkennung bekam. Wenn ich jetzt in Gremien sitze – in denen nach wie vor vor allem ältere Männer sitzen –, dann wird gehört, was ich sage, aber eigentlich werde ich nicht auf Augenhöhe wahrgenommen.
Auch mal laut sein, Raum einnehmen – woran liegt es, dass Frauen sich da so schwer tun?
Eine große Rolle spielt die Sozialisation: Mädchen bekommen vermittelt, dass sie sich so und so zu verhalten haben – nur dann sind sie liebe Mädchen. Laut sein oder auch mal aggressiv – das will nicht passen. Ein weiteres Problem, das sich später zeigt: Viele Frauen sind aggressionsgehemmt. Das merke ich bei uns im Team, das vor allem aus Frauen besteht. Was mir als Chefin, die ich nun bin, auch auffällt: Männer ohne jegliche Berufserfahrung bewerben sich auf Führungsrollen. Auch in den Bewerbungsgesprächen stapeln sie oft hoch – Frauen hingegen nicht. Wenn man mich vor sechs Jahren gefragt hätte, ob ich mal Chefin von 38 Mitarbeitern sein würde, hätte ich die Frage verneint.